Am 05.12.2017 haben sich die Wirtschafts- und Finanzminister der EU auf neue Vorgaben bei der Umsatzsteuer für Online-Händler verständigt, die bis 2021 in Kraft treten sollen.
Nachdem die EU-Kommission ihre Vorschläge zur Reform des EU-Mehrwertsteuersystems vorgelegt hat, haben sich die Wirtschafts- und Finanzminister der EU auf eine Reihe von Maßnahmen geeinigt, die das Mehrwertsteuersystem für Online-Unternehmen in der EU vereinfachen sollen.
Zur aktuellen Steuerrechtslage: Händler werden in einem anderen EU-Staat umsatzsteuerpflichtig, wenn sie mit ihren Kunden dort bestimmte Umsatzschwellen überschreiten. Diese variieren von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Oftmals liegen sie derzeit oft bei 35.000 EUR pro Jahr. Bis zum Erreichen des Schwellenwerts müssen Versender ihre Umsätze mit Kunden aus dem betreffenden EU-Staat in Deutschland versteuern. Wer darüber liegt, muss sich im Ausland steuerlich registrieren und dort Steuererklärungen abgeben.
Die Wirtschafts- und Finanzminister der EU erwarten von den Änderungen bis zu 5 Mrd. EUR an zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen pro Jahr. Die neuen Regeln treten bis 2021 schrittweise in Kraft.
Folgende Maßnahmen haben die Wirtschafts- und Finanzminister der EU vorgesehen:
Kleinunternehmer:
Um Start-Ups und kleinen Unternehmen den Zugang zum Binnenmarkt zu erleichtern, ist eine Vereinfachung der Mehrwertsteuerregelungen vorgesehen. Für Kleinstunternehmen richtet sich die Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Verkäufe von weniger als 10.000 Euro im Jahr nach den Vorschriften des Landes, in dem die Unternehmen ihren Sitz haben. Für grenzüberschreitende Verkäufe im Wert von bis zu 100.000 Euro im Jahr werden einfachere Verfahren gelten. Die Maßnahmen treten am 1. Januar 2019 in Kraft.
Zentrale Anlaufstelle:
Alle Unternehmen, die online Waren an ihre Kunden verkaufen, können ihren Mehrwertsteuerpflichten über ein einheitliches nutzerfreundliches Online-Portal in ihrer Landessprache nachkommen. Ohne das Portal wäre eine Mehrwertsteuerregistrierung in jedem EU-Mitgliedstaat erforderlich, in dem das Unternehmen verkaufen möchte. Genau das wird von Unternehmen als eines der größten Hindernisse beim grenzüberschreitenden Handel bezeichnet. Die einzige Anlaufstelle für Online-Verkäufe von Waren soll 2021 einsatzbereit sein, sodass die Mitgliedstaaten Zeit haben, die IT-Systeme, auf denen das System basiert, zu aktualisieren.
Online-Plattformen:
Großen Online-Marktplätzen wird die Verantwortung dafür übertragen, dass die Mehrwertsteuer abgeführt wird, wenn Unternehmen in Drittländern Waren an Verbraucher in der EU verkaufen. Dazu zählen auch Verkäufe von Waren, die von Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern bereits in Warenlagern innerhalb der EU gelagert werden, die oft dem Zweck dienen, Waren mehrwertsteuerfrei an Verbraucher in der EU zu verkaufen.
Kleinsendungen
Die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer für Kleinsendungen soll abgeschafft werden. Vertrauenswürdige Händler außerhalb der EU müssen sich dann bei der zentralen Anlaufstelle registrieren und von ihren Kunden in der EU die Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt des Verkaufs kassieren. Diese Waren werden dann von einem beschleunigten Zollverfahren profitieren, denn Sendungen im Wert von bis zu 150 EUR werden bei der Zollabfertigung nicht mehr gestoppt. Das soll Nachteile für Anbieter innerhalb der EU beseitigen, die grundsätzlich Mehrwertsteuer verlangen müssen, während Anbieter aus Drittstaaten Waren umsatzsteuerfrei an Verbraucher verkaufen können. Auch Steuerhinterziehungen, bei denen für hochwertige Importwaren ein Wert von weniger als 22 Euro angegeben wird, um eine Befreiung von der Mehrwertsteuer in Anspruch zu nehmen, wird mit dieser Änderung die Grundlage entzogen.
Weiter Informationen erhalten Sie auf der Homepage des Rates der Europäischen Union.
Dieser Vorschlag ist Teil eines Legislativpakets zur Einführung eines endgültigen Mehrwertsteuersystems für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der Union, das auf dem Prinzip der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat der Gegenstände beruht, um einen robusten, einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum zu schaffen. Ein Legislativvorschlag für ein solches einfacheres und weniger betrugsanfälliges endgültiges Mehrwertsteuersystem für den EU-internen Handel wurde ins Arbeitsprogramm der Kommission für 2017 aufgenommen. Diese Vorschläge für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der Union umfassen auch Verbesserungen des derzeitigen Mehrwertsteuersystems, die von den Mitgliedstaaten gefordert wurden.
Sowohl im Rahmen des endgültigen Mehrwertsteuersystems als auch für einige der oben genannten Verbesserungen des derzeitigen Systems sollten Steuerpflichtige unter bestimmten Bedingungen den Status eines zertifizierten Steuerpflichtigen erhalten können. Der Begriff des zertifizierten Steuerpflichtigen sollte es ermöglichen, zu bescheinigen, dass ein bestimmtes Unternehmen insgesamt als zuverlässiger Steuerzahler gilt. Bestimmte Vereinfachungsvorschriften zu betrugsanfälligen Sachverhalten wie Konsignationslagern, Reihengeschäften und dem Nachweis der Beförderung oder des Versands von Gegenständen in einen anderen Mitgliedstaat sollten nur dann gelten, wenn zertifizierte Steuerpflichtige an der jeweiligen Transaktion beteiligt sind. Das Konzept des zertifizierten Steuerpflichtigen sollte zudem die schrittweise Umsetzung des endgültigen Mehrwertsteuersystems ermöglichen, da in der ersten Stufe der Umstellung die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gelten würde, wenn bei Lieferungen von Gegenständen innerhalb der Union der Erwerber ein zertifizierter Steuerpflichtiger ist. Die Begründung hierfür lautet, dass es nicht zu einem Betrug aufgrund nicht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer für Lieferungen von Gegenständen innerhalb der Union für einen zertifizierten Steuerpflichtigen kommen dürfte, da der zertifizierte Steuerpflichtige definitionsgemäß zuverlässig ist.
In diesem Zusammenhang müssen Unternehmen und Steuerbehörden den Status eines Unternehmens als zertifizierter Steuerpflichtiger unmittelbar im Internet prüfen können. Dazu ist es notwendig, dass alle Mitgliedstaaten Informationen über Unternehmen und ihren Status als zertifizierte Steuerpflichtige in einem elektronischen System speichern und dass die zuständigen Behörden eines jeden Mitgliedstaats dafür sorgen, dass dieser Status für jedes betreffende Unternehmen bestätigt wird. Diese Verpflichtungen der Mitgliedstaaten sind in den Rechtsvorschriften über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden festzulegen, d.h. in der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (im Folgenden „Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer“).
Der Vorschlag soll dem Status des zertifizierten Steuerpflichtigen praktische Wirkung verleihen, der ein wichtiger Bestandteil des endgültigen Mehrwertsteuersystems für den Handel innerhalb der Union ist. Dieses System soll auf dem Grundsatz der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat der Gegenstände beruhen, wie es im Mehrwertsteuer – Aktionsplan angekündigt wurde. Der Status des zertifizierten Steuerpflichtigen ist auch im Zusammenhang mit einigen von den Mitgliedstaaten geforderten Verbesserungen des derzeitigen Systems von Bedeutung, insbesondere in Bezug auf die Vorschriften für Reihengeschäfte, Konsignationslager und den Nachweis der Beförderung bei steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferungen von Gegenständen.
Die Schaffung eines einfachen, modernen und betrugssicheren Mehrwertsteuersystems ist eine der fiskalpolitischen Prioritäten der Kommission für das Jahr 2017.
Die Bekämpfung des Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrugs ist auch einer der vorrangigen Bereich der Kriminalitätsbekämpfung in der Europäischen Union im Rahmen des EU-Politikzyklus 2014-2017 von Europol. Verwiesen werden kann außerdem auf die Einigung über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO), die unter bestimmten Bedingungen für die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer zuständig sein wird.
Die Implementierung des Qualitätsmerkmals „zertifizierter Steuerpflichtiger“ wird mit einem hohen Umstellungsaufwand für die Betroffenen verbunden sein.
Die Voraussetzungen, die ein zertifizierter Steuerpflichtiger nachweisen muss, um den Status zu erlangen, sind sehr umfangreich. Kleine Unternehmen würden diese Nachweise deutlich schwerer erbringen können als große Konzernunternehmen, da sie weniger Personalressourcen haben. Kleine Unternehmen, die aufgrund des zu hohen Aufwands auf die Zertifizierung verzichten müssten, könnten darüber hinaus automatisch in Verdacht geraten, weniger zuverlässige Geschäftspartner zu sein. Dies könnte unweigerlich zu einer Benachteiligung, zum Beispiel bei etwaigen Ausschreibungsverfahren, führen.
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Die Zweiklasseneinteilung würde zu einer unnötigen Wettbewerbsverzerrung am Markt führen. Diese würde den funktionierenden Binnenmarkt einschränken. Es besteht zudem die Gefahr, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für das Antrags- und Kontrollverfahren unterschiedlich streng auslegen. So kann es zu zusätzlichen Verzerrungen im Wettbewerb kommen.
Auch die Voraussetzungen, die ein Steuerpflichtiger erfüllen muss, um die Zertifizierung zu erhalten, rufen mehr als nur ein Fragezeichen hervor. Sie orientieren sich stark an den Voraussetzungen des Art. 39 Buchst. a bis c des Zollkodex der Europäischen Union (UZK). Dieser regelt die Bewilligung des Status eines sog. zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (ZWB) im Unionszollrecht.
An dieser Stelle weist der DStV darauf hin, dass das Motiv des ZWB rein zollrechtlicher Art ist. Es ist kein Instrument der Einnahmensicherung. Vielmehr dient es der Gefahrenabwehr, also der Sicherheit bei der Bewegung der Ware. Daher erscheint eine so starke Anlehnung an die Vorschriften des UZK für Zwecke der Mehrwertbesteuerung zweifelhaft.
Im Zollrecht wird die Regelung des Art. 39 UZK durch Durchführungsverordnungen ergänzt, die die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale erleichtern. Für Zwecke der Einführung des zertifizierten Steuerpflichtigen im Mehrwertsteuersystem fehlen bislang sämtliche Konkretisierungen. Der DStV fordert hier dringend Abhilfe, falls das Merkmal des zertifizierten Steuerpflichtigen verwirklicht werden soll.
Warum bedarf es solcher Konkretisierungen?